Das Märchen
von den drei Türmen
Es war einmal eine kleine Stadt, die hatte ein schönes altes Rathaus, das aber viel zu wenig Raum bot für die stetig wachsende Mitarbeiterschar.
Diese bedauernswerten Bediensteten mussten sich wohl oder übel in einem hässlichen Anbau einrichten, wenn sie nicht gar über die ganze Stadt verteilt wurden. Da beschloss der gute Rat ein neues Rathaus zu bauen, in dem alle Platz finden sollten. Ein Standort war auch schnell entdeckt. Denn unten am Neuen Markt hatte gerade ein Investor die Lust auf ein lange geplantes Einkaufszentrum verloren.
Dort würde für nicht einmal 30 Millionen das neue Rathaus nicht nur aller Raumnot abhelfen, sondern auch die Innenstadt zieren. Ein Wettbewerb fähiger Architekten sollte diesem Ziel dienen.
Kaum war die Wahl gefallen – nicht etwa auf ein Bauwerk, sondern auf eines mit gleich drei voneinander getrennten Türmen – stieg auch der Preis: auf knapp 43 Millionen! Als der aber binnen zweier Jahre schon in Richtung 70 Millionen kletterte, ohne dass damit alle weiteren Kosten gedeckt wären, verbreitete sich im alten Rathaus die Furcht:
Auf dem Neuen werde sich womöglich der Pleitegeier einnisten. Jetzt war Verzicht angesagt: Nur noch zwei statt drei Türme wollte man sich leisten – für allerdings immer noch weit über 50 Millionen. Nun aber zweifelten viele Bürger und Räte, wieso sie für so viel weniger immer noch mehr zahlen sollten als einst geplant. Und wie sollten denn der Raumbedarf und die zusätzlichen Kosten gedeckt werden? Im Rat blieben die Zweifler leider jedoch
in der Minderheit. Doch da rissen die klugen Bürger von Haan die Entscheidung an sich. Und so kann es kommen, dass die Haaner Bürger sich von der drohenden finanziellen Last ähnlich frei machen, wie "Hans im Glück", der den schweren Mühlstein am Ende in den Brunnen warf. Da wären sie wohl "Haans im Glück". - Einen Brunnen gibt es ja - mitten auf dem Neuen Markt.
Freilich muss man nicht jedem Märchen glauben. Daher im Folgenden unser Faktencheck.
Faktencheck
Unstreitig: Will man eine moderne und leistungsfähige Verwaltung haben, muss man sie auch angemessen unterbringen. Streitig: Das konkrete Projekt mit einst drei (jetzt nur noch zwei) miteinander verbundenen aber versetzt platzierten Baukörpern, Standort und Kosten.
Kostenentwicklung:
2018: Aufgrund einer Kostenschätzung wurden im Haushalt 29,5 Millionen eingeplant.
2021:„Ohne Grundstücksgeschäfte, Freimachen und Ausstattung ergibt sich so anhand der … vorliegenden Entwürfe und mit Fortschreibung von Baukosten und Preisindizes ein plausibler Kostenrahmen von 42,8 Millionen € ...“ (Verwaltungsvorlage vom 29.4.2021)
2023: „Der Rat der Stadt nimmt die Kostenschätzung … in Höhe von 68,82 Millionen € … zur Kenntnis.“ (Vorlage vom 4.9.2023) Zur Begründung wurde u.a. auf „gestiegenen Bedarf an Flächen und Arbeitsplätzen“ verwiesen,
2024: Im Dezember beschließt der Rat mit Mehrheit den Neubau mit nur noch zwei Baukörpern. „Hierfür wurde eine Kostenobergrenze von 53,42 Millionen € - ohne Grundstückskosten, Maßnahmen Windhövelplatz und Einmündung Kaiserstraße, Umzüge, Möblierung, IT-Ausstattung und TK-Endgeräte, Kunst am Bau/Kunstwerke, Umbau und Ertüchtigung des Baudenkmals altes Rathaus, Lager Rockwell – festgesetzt.“
(Sachstandsbericht vom 21.1.2025)
Gescheitert
Diese Variante, so urteilte das städtische Gebäudemanagement schon im April `24, weist zwar einen „kurzfristig geringeren Invest“ auf, aber sie „erreicht nicht die Ziele hinsichtlich Bündelungen an einem Standort.“ Damit war auch nach Einschätzung der FDP-Fraktion das Projekt gescheitert und bedurfte sowohl hinsichtlich Standort wie finanzieller Belastbarkeit dringend einer Revision.
Bürgerentscheid
Gut 3600 Haaner haben sich in einem Bürgerbegehren gegen den Ratsbeschluss ausgesprochen und damit den Bürgerentscheid erzwungen. Die FDP-Fraktion hat im Rat der Forderung des Begehrens zugestimmt und spricht sich gegen den in dieser Art geplanten Rathausneubau aus.
